Gute Nachtgeschichten

DIALOG MIT EINER STUBENFLIEGE

verfaßt : 1979

Ich glaube, es war Montag nachmittag.

Es war ein dösiger Tag, wolkenverhangen und regentröpfelig, so daß man sich genötigt fühlte, entweder als arbeitender Mensch in tiefen Büroschlaf zu fallen oder als freier Schriftsteller sich daheim im Sessel zu räkeln, während draußen der Regen gegen die Scheiben pladdert.

Die letzterwähnte Tätigkeit -das Nichtstun - traf auf mich zu, wobei ich das Sesselräkeln durch den Genuß eines köstlichen Tropfens Schlehenfeuerlikörszu einem Erlebnis werden ließ.
Der aromatische Duft der halbleeren Flasche erquickte mich und gab mir das angenehme Gefühl innerer und äußerer Wärme, verbunden mit einer heiter-versöhnlichen Stimmung.

In diesem behaglichen Zustand hörte ich es plötzlich:
das Geräusch.

Es hörte sich an wie das Tropfen einen winzigen Wasserhahnes, aber nicht so leblos, sondern eher organisch wie "hicks'' oder "hücks", jedenfalls sehr hochfrequent, wie unser alter Physiklehrer klugerweise behauptet hätte.

Ich überlegte, ob es nun eher wie "hicks" oder "hücks" klang und starrte mit einem etwas dämlichen Gesichtsausdruck auf die Tischplatte, von der die Geräusche auszugehen schienen.

Aber dort sah ich auch nichts, außer einer torkeligen Fliege, die zwischen ein paar verschütteten Tropfen Schlehenfeuer Slalom lief.

"Die ist ja blau" dachte ich, "habe noch nie eine Fliege mit Vollrausch gesehen; wenn die ins Röhrchen blasen würde, das wäre ja dann giftgrün! "

Während ich überlegte, ob Fliegen überhaupt einen Flugschein zu verlieren hatten, registrierte mein Trommelfell das "hücks" immer deutlicher.
Es kam anscheinend von dem taumelnden Wesen her!
Ich beugte mich hinunter, und welch' Überraschung: ich hörte eine piepsig-feine Stimme, wobei ich zunächst nichts verstand.

"Du bist ja blöd." sagte ich zu mir, "du siehst zwar keine weißen Mäuse, hörst aber Fliegen spreehen?!"

Aber es war ein Faktum: ich hörte eine helle, recht angenehme Stimme, die nur von dem geflügelten krabbeligen Insekt kommen konnte!

Als ich mich tiefer hinunterbeugte, um den kleinen Gast zu inspizieren, verstand ich das Gepiepse sogar: es war Deutsch mit einem fremdländischen Akzent.

Den folgenden Dialog, der sich nun ansponn, gebe ich ungekürzt wieder, wiewohl ich nicht erwarten kann, daß mir der normale Leser mit "gesundem Menschenverstand" Glauben schenken wird.

"Puudipuu" zirpte es ganz dicht an meinem Ohr, "Ihr Odylphen seid immer so schwerfällig und begriffsstutzig; aber nun hast du hoffentlich kapiert, daß ich dieses schöne klebrig-süße Zeug nicht ganz vertrage, obwohl es köstlich mundet."

"Hä, was sind Odülfen?" entblödete ich mich nicht, zu fragen.

"Ach so, ihr nennt euch ja Menschen; der Begriff "Odylphen" entstammt unserer wissenschaftlichen Nomenklatur, die euch in die Klasse der zweibeinigen nesthockenden Nacktsäuger einreiht. Aber ich wollte dich nicht beleidigen." entgegnete das geflügelte Wesen hastig, als es meine erhobene Hand sah.
Dabei rieb das Tierchen seine beiden vordersten Beine kokett aneinander.
"Wie heißt du eigentlich?"
Ich hatte noch überlegt, ob ich für die Anrede die "Sie"-Form wählen oder gegenüber einer Fliege gleich zum vertraulichen "Du" übergehen konnte, nannte ihr meinen Namen und duzte sie kurzentschlossen.

"Laura heiße ich, Laura Drosophila; ein sehr attraktiver Name für eine Fliege, nicht wahr?! Du kannst ruhig auch mal was sagen; naja wir sind halt ein bißchen beweglicher als ihr; deshalb sprechen wir auch mit höherer Frequenz. Außerdem hat mich das süße Zeug ganz geschwätzig gemacht, so daß ich die gewohnte, durch viel Leid erworbene Zurückhaltung der Fliegen gegenüber den Odylphen, äh, Menschen, abgelegt habe.
Was ist dies eigentlich für ein köstlicher Trank, der die Gedanken und Gefühle so wohltuend anregt?"

"Dieses Getränk nennt man Schlehenfeuer. Es wird aus im ersten Frost gesammelten Schlehen hergestellt. Schlehen sind Strauchgewächse und gehören zur Familie....." so ähnlich dozierte ich, bis ich mich zu einer aus meiner Situation heraus sehr verständlichen Frage aufraffte:
"Sag' mal, woher kannst du überhaupt sprechen; du bist doch ein unbegabtes Tier ohne Vernunft?"
"Ts, ts," surrte sie, "ihr denkt, ihr seid das Maß aller Dinge, weil ihr so groß seid oder mit Werkzeugen hantiert.
Dabei überseht ihr, daß bei uns kleinen Wesen die Intelligenz nicht so auffällt, obwohl sie natürlich vorhanden ist.
Wißt ihr nicht, daß die Intelligenz bei allen Lebewesen proportional ist zu dem Quotienten aus der Anzahl der Gehirnwindungen und der absoluten Körpergröße?
Deshalb sind z.B. Menschenweibchen meist intelligenter als Menschenmännchen.
Aber es mag dich beruhigen, daß dieses elementare Naturgesetz auch fur Fliegen gilt.
Auch Bakterien verfügen über eine - freilich geringe - Begabung.
Sieh' nur mal ihre großen Erfolge beim Eindringen in fremde Organismen!

Durch unsere Intelligenz und große Quantität werden wir Insekten wahrscheinlich im nächsten Jahrtausend eurer Zeitrechnung eine dominierende Rolle auf diesem Planeten innehaben, Resistenz gegen verursachte radioaktive Strahlung vorausgesetzt.
Aber das ist alles Politik und Futurologie, was mich eigentlich kaum interessiert und mir schon am College ein Greuel war.
Ich bin mehr für Kunst und Ästhetik.
Zum Beispiel faszinieren mich Figurenfliegen, Schnakenballett und natürlich Chorsummen.
Leider habe ich es nicht geschafft, mich als Mezzosopran immer gegen die dicken Baßbrummer zu behaupten.
Ab und zu nasche ich von eurem Odylphenfutter, Zucker mag ich für mein Leben gern, obwohl auch bei uns Fliegen Diabetes als typische Wohlstandskrankheit auf dem Vormarsch ist.
Herrlich ist es auch, in der Marmelade herumzuplantschen, wenn man sich nicht zu weit hineinbegibt. Es besteht die Gefahr, zu tief hineinzurutschen!
Ein paar vorwitzige Schwestern sind leider neulich im Limonadenglas ersoffen, wir konnten sie nicht mehr retten; nasse Flügel sind fast immer tödlich"

"Aber", stammelte ich, "woher hast du denn die Menschensprache gelernt? Und bitte, sprich' etwas langsamer."

"Entschuldigung, ich stelle immer noch zu hohe Anforderungen an dein Sprachverständnis.

Also, eure Sprache lernte ich durch aufmerksames Zuhören, vor allem da, wo Schwärme von Menschen zusammen sind, in Untergrundbahnen, Cafes, Restaurants oder auch Wohnhäusern, wo ich euch riesige, schwitzende Gesellen antreffe und mich gerne selbst zum Essen einlade. Toll, daß ihr so viel verfaulen und verschimmeln laßt und oft vergeßt, den Deckel über eurem Abfalleimer zuzumachen. In einer Wohnung haben wir mal einen riesigen Brocken verdorbenes Fleisch gefunden; unsere Schwestern haben gleich unsere Kinder dort abgelegt, weiß aber nicht, was aus der Brut geworden ist ... Ich habe leider noch kein attraktives Männchen gefunden; die meisten Brummer im passenden Allter sind so ordinär und wollen immer nur das Eine .... "

Dabei ergraute sie leicht, was dem menschlichen Erröten entspricht.

'Außerdem leide ich gelegentlich unter Rassenvorurteilen", fuhr Laura fort, "ich bin nämlich aus der Gegend, die ihr Tansania nennt. In eurer Sprache heißt meine Art "Tsetsefliege; daher auch meine etwas von Kisuaheli geprägte Aussprache."

"Bleib` mir weg vom Leibe, du bist ja gefährlich!" rief ich in höchsten Tönen des Entsetzens, "du überträgst doch die Schlafkrankheit!"

"Freilich, aber die meisten Menschen schlafen doch gern, deshalb hab' ich mir nie was dabei gedacht, wenn ich welche gestochen habe... Aber wenn das so ist, dann werde ich es natürlich sein lassen. So netten Odylphen wie dir gönne ich keine Krankheiten.
Meine Freundinnen und ich dachten immer, wir würden die Schlaflosigkeit heilen mit unseren besonderen Gaben... "

Ich stellte Laura gegenüber noch einmal eindeutig klar, wie gefährlich ihr gutgemeintes Handeln gegenüber der menschlichen Art war und bat sie dringend, wenn überhaupt, dann nur äußerst unsympathische Zeitgenossen zu stechen wie Miethaie, Börsenspekulanten, Fliegenhasser, Parteiführer und ähnlich unangenehme Zeitgenossen...

"Ich will dir noch erzählen, wie schön das von dir Afrika genannte riesige Land ist" girrte Laura, wobei sie beim schnellen Reden aufgeregt alle sechs bezaubernd schlanken Beine aneinanderrieb und die aufgeregt hin und her wippenden Fühler ihre ausdrucksstarke Gestik noch unterstrichen, " in Tansania war es das größte Vergnügen von mir und meinen jugendlichen Fluggenossinnen Landeübungen auf dem duftenden Rücken eines Büffelkalbes zu veranstalten und sich dann auf der weiten Rückenfläche niederzulassen, am besten entweder in der Nähe der wie Seen schimmernden Augen oder am aromatisch duftenden Hinterausgang des Kalbes, wo es immer etwas Leckeres zu naschen gab, halb verdaute Nahrung oder andere vorverdaute Überbleibsel von dem, was das Kalb dereinst gefressen hatte. Wir spielten auch das von mir erfundene Spiel "Laurentia, liebe Laurentia mein" dabei fassen wir uns alle an den vorderen Beinpaaren und hüpfen flügelschlagend auf und ab."

"Du brauchst gar nichts weiter zu erzählen, ich kenne so etwas ähnliches", winkte ich ab, "aber wie kamst du hierher?"

"Tja, ganz einfach, ich wollte mal die Welt sehen, mich sozusagen weiterbilden; neue Herden, andere Fliegen und so...

Deshalb benutzte ich eine Boeing 747 mit deutschen Touristen, dort an Bord gibt es doch immer mitreisende Touristen.

Die Akklimatisation in euren kalten Landen war zunächst etwas schwierig, aber ich habe es geschafft.

Es ist zwar alles kärglicher hier als in der dritten Welt, aber mir kommt es nicht so auf den Lebensstandard an."

Sie kicherte beschwipst und setzte zu einem kurzen Taumelflug an. Verspielt rollte sie dann ihren Rüssel ein und meinte schelmisch: "Bin ich nicht hübsch mit meinen blitzenden Facettenaugen, den graziösen Saugnäpfen und meinen wohlgeformten Beinchen?! Auch von der Schönheit und Sinnlichkeit meines Rüssels her kann sich keine gemeine deutsche Stubenfliege mit mir messen!"
"Eitel bist du wohl gar nicht?!" knurrte ich, brachte dann aber doch noch ein Kompliment in der Art hervor, daß ich anthrazitgrau sehr schön fände und ihre Beine tatsächlich sehr wohlgeformt seien, besonders die feinen Haarborsten an den Füßchen sie sehr gut kleideten usw.

«Du bist sehr freundlich", gurrte sie, "die meisten Menschen haben keinen Blick für Ästhetik.
Sie kennen nicht die feine Maserung unserer Flügel, unsere flinken Bewegungen und die Eleganz unseres Schwirrfluges.
Über euer Ballett können wir nur schmunzeln; ihr stolpert auf euren plumpen Beinen, von den ihr nur zwei habt, unbeholfen herum. Ihr könnt weder die Wände hinauflaufen -es sei denn in großem Zorn - noch an der Decke spazieren gehen.
Wo wir herrliche Flügel haben, habt ihr häßliche Arme, die nicht zum Fliegen taugen.
Unsere Reaktion ist viel schneller, wir entwischen euch fast immer, wenn ihr mit der Klatsche kommt. Ich hoffe, du versuchst es erst gar nicht, obwohl ich momentan nicht so das Gleichgewicht halten kann und mein Blut schon grünlich sein dürfte, von all dem leckeren Zuckerwasser aus der Flasche".
Dabei wies sie mit dem Rüssel auf die Schlehenfeuerlikörflasche.

Ich versicherte ihr, sie habe von mir nichts zu befürchten, einer sprechenden Fliege könne ich doch nichts zuleide tun, zumal nicht so einer hübschen und charmanten Vertreterin ihrer Spezies.

Nur seien die Fliegen bei den Menschen -sie dürfe dies nicht persönlich nehmen - etwas unbeliebt, weil sie deren Nahrung fräßen, verunreinigten und gefährliche Krankheiten übertrügen.

"Aber das ist doch alles aufgeblasene Propaganda! Wir nehmen ja nur einen ganz winzigen Teil eurer Speisen zu uns. Unsere Methode, sie mittels eines Sekretes mit unserem Rüssel aufzulösen, ist gewiß unorthodox, aber wir finden sie genial: wir brauchen nicht zu kauen, keine Zahnpflege zu betreiben und keine Tischmanieren zu beachten, es sei denn, das Schlürfen zu unterlassen.

Krankheiten übertragen? Auch Bakterien sind Lebewesen mit eigenen Rechten. Manchmal nutzen sie euch ja auch, z.B. in der Humusbildung oder der Medizin.

Woher nehmt ihr die Überlegenheit, sich über sie zu stellen?

Ist es nicht eine Arroganz, alles euch Mißliebige auszurotten und schon den kleinen Kindern beizubringen, den "dicken Brummer" mit der Fliegenklatsche zu erlegen ?l

Ich erinnere nur an das Greuelmärchen vom "tapferen" Schneiderlein(sieben auf einen Streich...)

Und was können wir denn dafür, wenn Ihr mit den Bakterien Probleme habt und krank werdet?

Wenn wir die Zahlen der Toten aufrechnen, dann sind unsere Verluste wesentlich höher.

Erinnere dich zum Beispiel an das Blutbad von Obereichbach in Bayern, wo 48.000 Fliegen erschlagen, besprüht oder auf klebrige Streifen gelockt wurden.
Stellt euch vor, wir würden für euch auch solche Streifen anbringen?!"

"Naja, Bayern ist nicht unbedingt repräsentativ f'ür das Bundesgebiet" druckste ich herum und warf dann ein: "warum macht ihr es denn nicht wie die Bienen und arbeitet mit den Menschen zusammen, nach dem Prinzip der friedlichen Koexistenz?"

Laura schnaubte nur verächtlich und rief:
"Ein solches Abhängigkeitsverhältnis würde das Freiheitsbewußtsein der Fliegen nie zulassen! Außerdem: die Bienen sind für uns kein Maßstab!
Wir sehen sie als nützliche Idioten der Menschen an.
Ihr Lebenssinn liegt für sie nur in der Arbeit, von den feudalistisch gesonnenen Drohnen einmal abgesehen. Streng dem Leistungsprinzip untergeordnet schuften sie Tag und Nacht, und die Erträge ihres Fleißes kommen ihnen und ihrer Brut noch nicht einmal voll zugute. Von dem Honig, den sie erzeugen, geben sie einen beträchtlichen Teil, den sogenannten Mehrwert, an den Imker ab, dem der Bienenstock gehört und den er lediglich als Produktionskapital ansieht. Dies führt zu wachsender Verelendung der Bienenarbeitermassen, sinkender Profitrate und...."
"Das hab' ich doch schon irgendwo mal gehört ...

"Außerdem sind sie Bürokraten und Technokraten, denen Ökonomie und Organisation das Wichtigste ist.
Deswegen wird unsere saloppe Weise des Herumbummelns oft als Gammelei und Tagedieberei verschrien.

Von den Ameisenherden, die Blattlausherden und andere Yolksstämme versklaven, möchte ich hier garnicht reden, auch nicht von den Termiten, diesen Militaristen und Holzvernichtern..
Sieh' dir doch mal diese mittelalterlich-hierarchische Ordnung in einem Bienenstaat an, diese ständische Gesellschaft mit ihren Klasseneinteilungen in Königin, Feudalmännchen, Soldaten und Arbeiterinnen. Natürlich haben wieder die Frauen die Hauptarbeit. Außerdem tragen sie alle Nachteile der Massengesellschaft: sie müssen ja verblöden bei dieser Anonymität!'

"Aber sie leisten wenigstens etwas: sie produzieren Honig, Wachs und andere nützliche Dinge."

"Ja, wir naschen gerne davon, Umverteilung des Sozialproduktes nennen wir das, ich glaube, ihr sagt dazu "Schmarotzertum"?!"

"Lehnst du eigentlich die Institution Staat überhaupt ab?"

"Was heißt überhaupt "Staat" ? Wie ich dir schon erzählte, sind Fliegen ausgesprochene Individualisten.

Deshalb leben wir praktisch in der "Anarcheia", der Herrschaftslosigkeit.

Aber wir können auch sehr gesellig werden: wenn irgend jemand eine Schüssel Sirup oder ein totes Tier entdeckt hat, kommen wir zum Feiern zusammen.

Zum Spaß haben wir sogar ein Fliegenparlament: zuletzt war eine hübsche Taufliege Präsidentin. Wir haben alle möglichen Altersschichten im Parlament, wobei wir für die Eintagsfliegen ein spezielles Nachrückverfahren entwickelt haben.
Aber wir alle nehmen das Parlament nicht so ernst.

Meist stellt es für die Abgeordneten nur eine Gelegenheit zum Feiern dar, weil die Diäten aus der Verabreichung von süffigem Nektar bestehen. Vielleicht existiert das Parlament auch nur deshalb, benötigen tun wir es eigentlich nicht."

"Wie bei uns das Europaparlament!" lachte ich.

"Europa, hui ist das riesig! Übrigens, um noch mal auf die Wertmaßstäbe und die Einteilung der Lebewesen in "gute" und "böse" zurückzukommen: eine gewisse Einteilung nehmen auch wir Fliegen vor: zum Beispiel haben wir eine Vorliebe für Rinder, Schafe und andere schwitzende Lebewesen.
Dagegen hassen wir solche Monster wie Frösche, Geckos, Kröten und Fliegenschnäpper. Zum Glück sind die Singvögelmonster beim Fliegen plumper als wir, so daß wir eine gute Chance haben, davonzukommen, wenn wir sie rechtzeitig erspähen.
Übrigens finde ich es prima, daß ihr uns trotz aller Konflikte und Meinungsverschiedenheiten helft.
Das Froschproblem dämmt Ihr durch Überfahren mit euren Autos ein, und die Singvögel haltet ihr kurz, indem ihr die Hecken entfernt, Gift sprüht und die Vogelmonster in Käfige sperrt.
Am besten finden wir die Verwendung von Netzen und Vogelfallen im alten Kulturland Italien.
Toll ist es auch, daß es die DFG gibt!"

DFG? Ich dachte an die Kriegsdienstverweigerer, aber Laura klärte mich auf:"Ja, die 'Deutsche-Fliegengesellschaft", so heißt das doch?!"
"Ja", log ich, um sie nicht zu verletzen.
"Und der DFB, der Deutsche-Fliegen-Bund ist die Dachorganisation der Fliegenverbände?'
"Stimmt, ich bin hier zufällig der Ortsgruppenleiter."
"Zuckerchen!" rief Laura, das größte Lob, daß der Rüssel einer Fliege ausdrücken konnte, "laß' uns Freunde werden!"
"Tja, vorhin wollte ich dich eigentlich noch umbringen..."
"Pah, nimm's mir nicht übel, mein Odylphenfreund, aber wir sind ja doch viel flinker als ihr!" zirpte sie , umkreiste mich ein paarmal mit sirrenden Flügelschlägen und verschwand dann fast nüchtern durch die Dachluke, durch die sich nach dem Regen die ersten Sonnenstrahlen hineintasteten. Ihr zärtliches "Pudipuu"zum Abschied klang noch nach.

Versonnen blickte ich ihr nach, wartete, ob sie zurückkam und ließ noch etwas Schlehenfeuer auf den Tisch tropfen.

Aber seitdem habe ich meine kleine Freundin Laura nicht wiedergesehen; zumindest habe ich sie nicht unter den summenden und brummenden Besucherinnen meiner Dachwohnung wiedererkannt.

Die neuen Fliegen sind alle nicht so hübsch wie meine Laura mit ihren schlanken Beinehen und den blitzenden Facettenaugen. Ich denke an ihre charmante Gesellschaft, und übrigens: ich habe jetzt eine Sektion der DFG (der echten!) gegründet. Ich bin Ortsgruppenleiter.-

Einstimmig gewählt!

Copyright Burkhard Heidkamp 1979