Gute Nachtgeschichten

Grüne Aliens

verfasst 2000

Ein Fragment

Das Detonationsgeräusch war von oben gekommen. Ein beißender Salmiakgeruch lag in der Luft.
Mir war schwindlig. Ich wollte meine Gedanken ordnen, fliehen. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Andere Gedanken schwebten durch mein Hirn. Andere Gedanken - nein, es waren die Gedanken von Anderen!
Es war, als ob ich etwas hörte, schrille Stimmen, obwohl ich genau wusste, dass ich tatsächlich keine akustischen Signale wahrnahm, sondern sich dies in meinem Gehirn abspielte.
Die verfremdeten schrillen Stimmen drangen in die Bereiche meines Denkens vor, umklammerten meine Synapsen mit Tentakeln.
Es war sehr unangenehm, ungefähr, als wenn zur gleichen Zeit ein Bausparkassenvertreter, zwei ältere Zeuginnen Jehovas und Deine Schwiegermutter unangemeldet in Dein Haus stürmen.

Mit dem Rest meines eigenen Willens wollte ich aus der Kantine stürzen. Aber meine Beine gehorchten mir kaum; es war, als wollte ich durch Honig waten.
Wenn ich stattdessen mich in die Richtung der Detonation wandte, fühlte ich eine Art magnetischen Sog, und die fremden Stimmen wurden lauter.
Ich konnte die Stimmen, die fremde Gedanken verkörperten, nun unterscheiden und verstehen..

"Weitere Erdlinge sind in der Nähe; wir müssen sie paralysieren und heransaugen."
"Endlich haben wir einen Planeten gefunden, der genug neuronale Masse enthält. Der Großwesir wird erfreut sein. Die ersten Kostproben waren erfreulich.
Diese graue Masse hat unseren Level erhöht, die Behälter waren leicht zu knacken."
"Am ergiebigsten sind die eiförmigen mit den beiden runden Sehverstärkern. Wenig war bei den Fellträgern mit vier Extremitäten. Dabei hatten wir gedacht, dies sei die herrschende Rasse, weil sie unsere Anwesenheit zuerst geortet hatten, nachdem unser Raumschiff unsanft gelandet war. Kaum was zu holen war auch bei den Erdlingen, die wir aus den grünweißen Fahrzeugen mit dem blauen Licht herausgeholt haben und die diese untauglichen Strahlenpistolen hatten.."

Diese Gespräche, unterbrochen durch Sabbern und Blubbern, was mich fast panisch werden ließ, waren nicht erfreulich, nein, sie unterhielten sich über Themen, die ich nicht gerne vertiefen wollte. Und die Gedanken wurden stärker; der Sog nahm zu. Ich wurde die Treppe hinaufgezogen....

"Wir müssen ein paar unzerteilt mit nach Abominog nehmen. Wenn wir den oberen Teil abtrennen, hat der untere Teil keine Möglichkeit mehr, weiter zu existieren. Sie benötigen auch das ihnen vertraute Luft-Gasgemisch und diese Flüssigkeit, mit der sie zu 70% angefüllt sind und auf der ihre Bauten schweben."

"Vielleicht sollten wir erst einmal genug von ihnen auf ihrem eigenen Planeten züchten.
Es gibt grüne Flächen, die für die Massenhaltung geeignet erscheinen; vielleicht weiden sie darauf. In der Flüssigkeit zappeln sie nur und gehen dann unter. Komisch, wo sie doch hauptsächlich aus dieser Flüssigkeit bestehen..."

"Der nächste ist ganz in der Nähe. Wir knacken ihn, aber nur zu wissenschaftlichen Zwecken. Die Masse muss in frischem Zustand mitgenommen werden."

Ich befand mich im Obergeschoss auf dem Flur, wurde weitergezogen. Der Sog wurde stärker. Über mir war die Decke zerstört; ein Stück blauen Himmels lugte herein. Blauer Himmel, würde ich ihn jemals wiedersehen?

Am Ende des Ganges war das Sekretariat. Mit letzter Kraft hielt ich mich an einer Türklinke am Gang fest; denn was ich von weitem sah, war das Scheußlichste, was ich je gesehen habe!

Zwei grüne schleimige Wesen von etwa zwei Meter Höhe und aufgetriebenem Leib quetschten sich auf die viel zu kleinen Bürostühle. Das dritte grüne Wesen war kleiner und schlaffer, anscheinend hatte es sich noch nicht vollgesaugt.
Zu Füßen der Wesen lagen - Köpfe.
Die Hirnschalen waren aufgebrochen, vermutlich mit den zangenartigen oberen Tentakeln der grünen Wesen. Die Zangen sahen aus wie Hummerzangen.
Weiter unten saßen ihnen noch zwei Tentakelpaare am Leib. Ein moschusartiger Geruch, der mich mehr und mehr betäubte, entströmte ihren Körpern.
Jetzt ahnte ich, warum die Menschen so teilnahmslos und ferngesteuert durch die Stadt liefen....

Die Wesen schienen blind zu sein, aber über Sinnesorgane zu verfügen, mit denen sie meine Anwesenheit wahrnehmen konnten.

Mir war so übel; in reinem Reflex griff ich nach meinem Flachmann, den ich in der Anzugtasche mit mir herumtrage. Ich gebe zu, ich trinke gerne, aber solange die Tagesration noch in den Flachmann passt, schere ich mich nicht darum. Überall Normen auf Atlantis, da ist ein versteckter Flachmann eine kleine Rebellion und Zuflucht, zumal sich wegen der geringen Anbauflächen nur die Reichen das Marihuana leisten können; da nützt die ganze Legalisierung nichts..."

Ein kräftiger Schluck; nein, kampflos werden sie meinen Schädel nicht knacken können; kommt her, ihr verfluchten Aliens!

Die Stimmen werden leiser.

"Er entzieht sich unserer Ortung."

"Er hat einen Schutzschild aus undurchdringlichem Nebel um sich gelegt."

"Wir müssen die Formel finden, damit wir den Schutzschild knacken können. Der Geruch ist widerlich und nimmt mir fast die Sinne".

Ich haste durch den Flur; ich kann wieder laufen. die Stimmen werden leiser, sind nur noch ein Seufzen und Zischen.

Ich muss raus aus dem Gebäude, die anderen warnen. Das ist doch ein Fall für die Nationalgarde!
Wie lang tun die das schon hier? Hat unser Raketenschutzschild gegen die Bedrohung aus dem All versagt?
Dafür haben wir unsere Steuergelder berappt! Als nächstes landen noch die Nordkoreaner, dann ist endgültig Schluss mit Atlantis.-

Ich leere während des Laufens den Flachmann in großen Zügen. Der Bourbon brennt in der Kehle, aber verschafft mir neue Energie.

Ich bin im Erdgeschoss und will nach draußen laufen.
Da höre ich von der Kellertreppe ein Röcheln.

Es kommt aus dem Heizungskeller.

Zögernd gehe ich die Treppe herunter. Werden sich dort Aliens aufhalten?

Ein Rülpsen ist zu vernehmen; es stinkt nach Pisse. Also doch keine Aliens.
Es ist Mc Carthy, ein rothaariger beleibter Typ. Ich kenne ihn flüchtig; er ist der Hausmeister, versoffen und starrt immer den Weibern hinterher.

Er lallt: "bist du auch so'n Grüner; pfui Deibel, seid ihr häßlich."

Ich versuche, den Fettwanst aufzurichten.

"Du bist doch der Typ von der Sandra; Mann, Mann; ich sitz da und sauf meinen Fusel und hör' die ganze Zeit einen Krach, so dass ich mal nach dem Rechten schauen muss; bin ja der Hausmeister hier, und Krach gibt's nicht in der Bibilothek.
Ich also die Treppe hoch, und da sehe ich wie so ein grünes Monster, so eine Art Riesenfrosch mit Krebszangen den Prof für Aqua- Aqua-, äh Meereskunde am Wickel hat. Der schreit und schreit, aber das Vieh knackt ihm den Schädel auf und saugt ihn aus. Es saugt ihn aus, Mann!
Mann, denke, was für einen Scheiß-Fusel hast Du Dir da im Aqua-Center eingepackt; aber da war' noch 'n anderes Monster, sah ähnlich aus und ein kleinerer, der kommandiert hat, hab' aber nix verstanden. Die hamm' mich auch nicht bemerkt, obwohl ich mit offenem Maul danebenstand, das kannste mir glauben.
Ich also wieder runter, erst mal ne Runde poofen.
Naja, und jetzt bist Du da. Haste noch was zu trinken?

Ich setze mich , muss erstmal nachdenken.
Was wollen die grünen Schleimer hier auf der Erde, und warum haben sie mich und Mc Carthy verschont, während sie den Prof und all die anderen armen Kerle aufgeknackt haben?

copyright 2000 Burkhard Heidkamp