Gute Nachtgeschichten | |
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Auswahl: | Die Berufsberatungverfaßt: 1979 "Guten Tag, ähemm; bin ich hier richtig, Berufsberatung, Zimmer 108?" "Ob Sie ganz richtig sind, weiß ich nicht; jedenfalls ist das hier tatsächlich Raum 108. Was wünschen Sie denn?" "Ich wünsche, berufsberaten zu werden." "Ein schwieriges Unterfangen heutzutage, aber mal sehen, was sich tun läßt ... Hmmm, Sie waren längere Zeit arbeitslos, haben krumme Füße, schon mal schlecht. Nun, wo liegen denn Ihre Interessen und Neigungen?" " Also, ich sammele alte Telefonbücher; aber Sie meinen wohl mehr die beruflichen Interessen?" "Sehr richtig. " "Ich würde gerne Buchhalter werden." "Tja, ich weiß nicht, ob ich Ihnen bei der derzeitigen
Fluktuation des Arbeitsmarktes dazu raten kann, "Ach nein, gegen Federn und Tierhaare bin ich allergisch. Reizen würde mich natürlich die Fachausbildung zum Büsten- und Strumpfhalter, aber als Mann hätte ich da kaum Chancen, abgesehen davon, daß mich meine Familie aus moralischen Gründen enterben würde.... " "Nun ja, es ist nicht jedermanns Sache. Strumpfhalter werden ohnehin wegen der modischen Entwicklung immer weniger benötigt, es sei denn, Sie arbeiten im Rotlichtmilieu als Straps; aber Sie können nicht erwarten, daß wir Ihnen eine solche Tätigkeit vermitteln, wirklich nicht! Was haben Sie denn eigentlich vorher gemacht?" "Tja, ich habe einen körperlichen Beruf ausgeübt: dreijährige Lehre als Gabelstapler; hat mir sehr gelegen; niemand kannte sich mit Metallverarbeitung, Gabelbiegen und der akkuraten winkelgerechten Stapelung der Bestecke besser aus als ich; fast möchte ich sagen, daß beim Gabelstapeln eine künstlerische Ader von mir zum Vorschein kam. Aber dann haben die Affären um Uri Geller, der Schwindet mit dem telekinetischen Gabelverbiegen, die Konjunktur kaputtgemacht, nicht wahr, und nach dem Ende der Lehrzeit sind wir alle auf die Straße gesetzt worden, "Und was haben Sie danach gemacht?" "Danach arbeitete ich auf einer Zitrusplantage als
Zitronenfalter; aber das war eine Sch... arbeit! Ich hab' die
Zitronensäure nicht vertragen. Außerdem liegt mir das Arbeiten mit runden Objekten nicht, habe
ein gespaltenes Verhältnis zur sphärischen Trigonometrie. Deswegen
könnte ich zum Beispiel auch nie Kugelschreiber werden; ist schon
beknackt, die ganze Sache! "Lassen Sie doch die unqualifizierten Beschimpfungen der Leistungsträger unserer Gesellschaft! Verantwortung zu tragen ist wesentlich schwieriger, als sie zu verschieben" "Ja, was zum Kuckuck empfehlen Sie mir denn?! "Sie sollten den öffentlichen Dienst nicht so abwerten, junger
Mann. Später, im Alter...." "Ich weiß' nicht, ob ich dazu die Nerven hätte. Jeden Tag auf
Achse zu sein, immer darauf gefaßt, als Störenfried angeschrieen
oder sogar geschlagen zu werden... "Und wie steht es mit einer Verpflichtung beim größten Arbeitgeber des Friedens, unserer Bundeswehr ?" "Sie meinen als Düsenjäger oder Kanonenfütterer? Oder gar als
Panzerfaust, Granate oder Gebirgsjäger? "Und wie sieht's aus in der Kfz-Branche: als Kolbenfresser,
Scheibenwischer, Motorroller oder Einspritzer? "Das ist mir alles zu unmoralisch; am Ende schicken Sie mich
noch in den Auspuff! Wie soll sich der kleine Steuerzahler bei
solchen Umschulungen verhalten?l. Nein, ich mache es nicht. "Langsam sehe ich bei Ihnen wirklich schwarz! " "Ich sehe auch schwarz, obwohl ich Buntes viel mehr mag! Moment mal, bunt .... Was ist das denn für ein Arbeitsamtinfoheft, das Sie da neben vielen anderen Broschüren auf dem Tisch liegen haben?" "Ach, das ist fast antiquiert; die Verdienstmöglichkeiten sind in dem Job nicht sehr hoch, obwohl er zu allen Zeiten erlernt und ausgeübt wurde: es ist der altehrwürdige Beruf des Landstreichers! Zugegebenermaßen ist der Job krisenfest; in der Branche wird man/frau so gut wie nie arbeitslos." -blätter, blätter, raschel, raschel,-- " Oooh, das ist ja toll! Diese Möglichkeiten das Land zu
verwandeln! " Ohne dabei unanständig zu sein!" " Ja, das stimmt. Diese wunderschönen Farben: vor meinen inneren Augen entsteht eine wahre Farbsinfonie: blaue Wälder, lila Felsen, gelbe Tümpel, rosa Moosteppiche und karierter Buntsandstein. Pastellfarbene Äcker, die Kunst, sie hat mich wieder!" " Junger Mann, ich fürchte, Sie hängen hoffnungslosen
romantischen Ideen nach, wie sie auch diese sogenannten
Grünalternativen vertreten. "Aber das macht doch nichts, das ist doch gut: ich arbeite mit
radioaktiven Leuchtfarben auf der Grundlage von
Plutoniumdispersion. Die verlieren erst nach 2.400 Jahren die
Hälfte ihrer Leuchtkraft, sind also viel besser als Persil, Dash
oder Sunil! Meine Werke werden noch leuchten und strahlen, wenn es
keine Lebewesen mehr gibt. Ich schreib' sofort mit Fotos an die
Zentrale in Gorleben. "Der letzte Schrei? In der Tat, sie haben mich überzeugt!" Copyright Burkhard Heidkamp 1979 |
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