Gute Nachtgeschichten | |
---|---|
Auswahl: | Geister unter sichverfaßt 1981 Sterblicher, der du dies liesest: freue dich, aber erzittere
dabei! Genügt es ihm nicht, daß die "Geisteswissenschaftler" der schleimigen, schwabbligen Säuger uns an allen Orten entmythologisieren, wo sie nur können und dieser Kritikgeist erdreistet sich.., zur Hölle mit ihml Ja, wir fangen an: Fremder, unser Zirkel beginnt pünktlich um
Mitternacht, darüber wacht schon der der Orthografie unkundige
Urgeist, die alte verstaubte Turmuhr dröhnt viermal, zwölfmal
schlagen Knochen gegeneinander; jetzt erblicke ich auch den
Himbeergeist und seine Zechkumpane, den Brombeergeist und den
Weingeist, sie schäkern mit der Klosterfrau Melissengeist; dahinter
taumelt schweren Schrittes dieser Ausländer, der Spiritus; die
Zechbrüder schaden unserer Innung , groarr, sie schwanken schon
wieder, das finde ich nicht im geringsten geistvoll, sie stützen
den Weingeist in der Mitte; die klapprigen Burschen mit ihren
bläulichen Gewändern, die in der Dunkelheit phosphoriszieren, waren
nicht einmal mehr imstande, lautlos durch die Zeit zu eilen: sie
haben die Geisterbahn benutzt, welch Schmach für unser stolzes
Geschlecht, und welche Schande: die Klosterfrau Melissengeist trägt
außer ihrem Skelett nichts unter der Kutte! Der Schloßgeist droht ihnen: "Sagt, habt Ihr den Geist von
Helsinki mitgebracht, ihr Wichte?" "Hausgeist, lösche seinen Namen mit dem Schwert mit der Flamme der Zerstörung, schon wieder ein Totalausfall, bei allen bösen Geistern und Dämonen, es werden von Jahrhundert zu Jahrhundert immer weniger....." Äber es rumpelt plötzlich schaurig, mit solch infernalischem Getöse kommt nur einer, die eisenbeschlagene Osttür wird aufgerissen, der Putz bröckelt: nein, Poltergeist, wir haben nicht bemerkt, daß du kamst, du warst wie immer geisterhaft leise, ehrlich, lautlos wie ein Schatten... ; der Schädel des Poltergeistes mit der blutigen Axt im Scheitel wackelt hin und her vor Freude über seine Lautlosigkeit, aus Versehen stolpert er über eine Fußbank. Oh, dieser Idiot, ein Donnergetöse quält unsere vergeistigten Nerven: gib' endlich Ruhe, sonst kriegen wir wieder die grünmodrigen Menschlinge mit ihren schaurig heulenden Wagen und dem gräßlich grellen blauen Lichte auf die Halswirbell Da, ein schüchternes Klopfen vom fackelbeschienen Westtor her:
"komm, komm" haucht der Schöngeist, er wartet auf seinen Freund,
den Klopfgeist. Der Klopfgeist, er ist schüchtern, es bewegt sich
nichts, kein Luftzug--- "Härrainspaziert" brüllt der Poltergeist
(er ist eher ein Plagegeist); "Konzentriert euch, vergeistigt euch!" schneidet die Stimme des Schloßgeistes jedem durch Äther und Bein. Diese Dekadenz! Alles fing an mit Oscar Wildes schwulem Gespenst von Canterville, dann kam beim letzten Zirkel der Skandal mit der weißen Ahnfrau, die sich in unseren Männerbund eingeschlichen hatte und jetzt verdreht diese Klosterfrau Melissengeist jedem die leeren Augenhöhlen! Wir vom Rat der Ältesten dulden, dulden, dulden -dreimal sei es
in alle Himmelsrichtungen und Höllenrichtungen gesprochen :wir
dulden nur männliche Geister, keine Weiber: "Geisterwort "Oh, wie poetisch unser Vorsitzender ist, der Geist der Poesie hat ihm Flügel verliehen" "Laßt' uns nun beginnen, die Zeit drängt, drängt, drängt, und wir müssen nachher den Geisterreigen rechtzeitig beginnen." murmelt vorwurfsvoll der Zeitgeist, seine zwei schwarzen deformierten Finger weisen auf die Standuhr. "Hihihihihähähähäää", das geckernde Kichern des Irrgeistes erfüllt den Raum mit seiner krankhaften Ausdünstung :"ich habe die Uhr doch vorgestellt!" Der Rachegeist droht und stößt Verwünschungen aus: "Wenn du uns noch einmal so entgeisterst, anstatt uns zu begeistern, dann geben wir deinen Geist auf!" Er grabscht nach dem Irrgeist, aber der ist immer dort, wo man ihn nicht vermutet; er taucht plötzlich hinter der Theke auf und foppt dort den Himbeergeist und den Spiritus mit einem brennenden Streichholz. "Kümmert euch nicht weiter drum" seufzt der Geist der Resignation . "Aber wo sind -beim Wotan- Plagegeist und Quälgeist?!" "Ich soll sie mit Eurer gnädigsten Erlaubnis entschuldigen," haucht hingebungsvoll der Geist der Höflichkeit, "dero Herren von und zu Plagegeist und derer von Quälgeist, sei es mir darob gestattet,- "Laller!" zischt es durch den Raum - "möchte euch dennoch in aller geziemenden Bescheidenheit kundtun: die beiden Herren haben im Burggraben eures ehrfurchtheischenden überaus stattlichen Schlosses eine - verzeiht mir die Grobheit dee Ausdruckes - aufgedunsene Kindesleiche gefunden, mit der sie nun mit der teuflisch gütigsten Erlaubnis Eurer Majestät allerlei Kurzweil treiben wollen! "Auf diese minderwertigen Bastarde können wir verzichten!" kreischen Volksgeist und Sportsgeist mit einer Stimme, zustimmendes Raunen antwortet. Der Zeitgeist, der Pünktlichkeits - und Ordnungsfanatiker bleckt die Zähne.... "Kommen wir nun zu Punkt 1, Absatz 2 Abschnitt 4a, Teilsätze 1-3 der ewigen Versammlungsordnung.." Der Geist der Langeweile, der jetzt das Wort führt, windet sich vor Vergnügung, zwinkert seinem Bruder Hypnos, dem Geist den Schlafes zu, begeistert schwinkt er laut gähnend den Lichtgriffel in seiner verdörrten ausgemergelten Rechten... "Veto, Veto, Veto!!!" tönt es da aus der Ecke, oh wie wir ihn
alle hassen, den Widerspruchsgeist, der stets nichts anderes tut,
als wieder und wieder Gegenrede zu halten, alles besser zu wissen
und alles zu kritisieren und zu zerreden, gemeinsam mit seinem
einzigen Verbündeten, dem Ungeist, der auf jeder Versammlung keift,
daß er sowieso gegen alles sei und niemand ihn verstehe.... Copyright: Burkhard Heidkamp 1981 |
ERF-CMS von Modulkonzept |