Gute Nachtgeschichten

Geister unter sich

verfaßt 1981

Sterblicher, der du dies liesest: freue dich, aber erzittere dabei!
Was keines von euch kurzatmigen schnellebigen, fleischernen Geschöpfen je zu ahnen gewagt hätte, das wird nun Wirklichkeit: ich, Gerontiell der Schwarmgeist, ich künde euch Schauriges, Greusliches von unserem 666-Jahr-Zirkel auf Mc Dunhalls Castle in Schottland, wie ihr proteinhaltigen, schleimigen stofflichen Säuger dieses öde karge Land nennt, diese schröcklich-schöne Wildnis mit ihren glosenden Morasten, den hageren Nebelkrähen und den ausgeblichenen Augenhöhlen der verendeten Kreatur...
Tot und starr wie Skelettfinger ragen die Zinnen von Mc Dunhall gegen das schwarze Gewölk des kalten Leichentuches -von euch genannt: Himmel - aber tief drinnen in den Gewölben mit ihren wispernden Geheimnissen, in den spinnwebverhangenen Grüften der Katakomben von Dunhall regt sich der Tod in voller Lebenskraft: sie kommen mit ihren modrigen bleichen Gebeinen aus den Särgen; Knochen fügt sich an Knochen; die Ketten der Gepeinigten rasseln; Wimmern, Seufzen und Stöhnen kriecht durch die unterirdischen eiskalten Gänge von Dunhall; die Geister, sie strömen herbei zum 666-Jahr-Zirkel derer von Dunhall, fleischlose tote Augen, die alles sehen, flackernde Irrlichter, monotones Gemurmel kapuzenverhangener enthaupteter Priester; aber jetzt sind wir - du und ich, hähähähähähäää- schon da, wo wir sein wollen: im Tafelzimmer, dem Todesort des verfluchten, ausgestorbenen, verrottenden Geschlechtes derer von Dunhall.
Ja, ich sehe schon die widerwärtige triefäugige Fratze des alten Dunhall vor mir, des Schloßgeistes, der unsere Versammlung leitet; dort rechts stoßen sich Luftgeist und Erdgeist zur Begrüßung gegenseitig die rostigen Schwerter in die quabbeligen amorphen Leiber; der Hausgeist wacht darüber, daß das verfluchte spiegelglatte Parkett nur an der vorgesehenen magisch mit dem Drudenfuß markierten Stelle die charakteristische Blutlache aufweist, während der Salmiakgeist tobt, er müsse dann wieder die Sauerei wegmachen, sie sollten sich einen anderen dienstbaren Geist suchen; und - - yog sothotg garyllg flynmurr, groaks
pardon:da ist ja mein alter Widersacher, der Geist der Kritik: er gießt wieder seine ätzende Säure in unsere Yersammlung; verwunschen sei er bis in alle Äonen!!!

Genügt es ihm nicht, daß die "Geisteswissenschaftler" der schleimigen, schwabbligen Säuger uns an allen Orten entmythologisieren, wo sie nur können und dieser Kritikgeist erdreistet sich.., zur Hölle mit ihml

Ja, wir fangen an: Fremder, unser Zirkel beginnt pünktlich um Mitternacht, darüber wacht schon der der Orthografie unkundige Urgeist, die alte verstaubte Turmuhr dröhnt viermal, zwölfmal schlagen Knochen gegeneinander; jetzt erblicke ich auch den Himbeergeist und seine Zechkumpane, den Brombeergeist und den Weingeist, sie schäkern mit der Klosterfrau Melissengeist; dahinter taumelt schweren Schrittes dieser Ausländer, der Spiritus; die Zechbrüder schaden unserer Innung , groarr, sie schwanken schon wieder, das finde ich nicht im geringsten geistvoll, sie stützen den Weingeist in der Mitte; die klapprigen Burschen mit ihren bläulichen Gewändern, die in der Dunkelheit phosphoriszieren, waren nicht einmal mehr imstande, lautlos durch die Zeit zu eilen: sie haben die Geisterbahn benutzt, welch Schmach für unser stolzes Geschlecht, und welche Schande: die Klosterfrau Melissengeist trägt außer ihrem Skelett nichts unter der Kutte!
Geht doch gleich zur Geisterbahn auf die Jahrmärkte der plumpen, tumben Menschlinge!

Der Schloßgeist droht ihnen: "Sagt, habt Ihr den Geist von Helsinki mitgebracht, ihr Wichte?"
Ein belferndes Gemeckere: "Neinl Wir sahen ihn, aber seine Schwingen waren kraftlos, und er war kurz vor dem Einfrieren. Er röchelte nur noch und seufzte unsäglich traurig, fast so traurig wie das Gespenst von Canterville..."

"Hausgeist, lösche seinen Namen mit dem Schwert mit der Flamme der Zerstörung, schon wieder ein Totalausfall, bei allen bösen Geistern und Dämonen, es werden von Jahrhundert zu Jahrhundert immer weniger....."

Äber es rumpelt plötzlich schaurig, mit solch infernalischem Getöse kommt nur einer, die eisenbeschlagene Osttür wird aufgerissen, der Putz bröckelt: nein, Poltergeist, wir haben nicht bemerkt, daß du kamst, du warst wie immer geisterhaft leise, ehrlich, lautlos wie ein Schatten... ; der Schädel des Poltergeistes mit der blutigen Axt im Scheitel wackelt hin und her vor Freude über seine Lautlosigkeit, aus Versehen stolpert er über eine Fußbank. Oh, dieser Idiot, ein Donnergetöse quält unsere vergeistigten Nerven: gib' endlich Ruhe, sonst kriegen wir wieder die grünmodrigen Menschlinge mit ihren schaurig heulenden Wagen und dem gräßlich grellen blauen Lichte auf die Halswirbell

Da, ein schüchternes Klopfen vom fackelbeschienen Westtor her: "komm, komm" haucht der Schöngeist, er wartet auf seinen Freund, den Klopfgeist. Der Klopfgeist, er ist schüchtern, es bewegt sich nichts, kein Luftzug--- "Härrainspaziert" brüllt der Poltergeist (er ist eher ein Plagegeist);
jetzt:ein schwaches bläuliches Flämmehen, es hüpft auf den Schöngeist zu......

"Konzentriert euch, vergeistigt euch!" schneidet die Stimme des Schloßgeistes jedem durch Äther und Bein. Diese Dekadenz! Alles fing an mit Oscar Wildes schwulem Gespenst von Canterville, dann kam beim letzten Zirkel der Skandal mit der weißen Ahnfrau, die sich in unseren Männerbund eingeschlichen hatte und jetzt verdreht diese Klosterfrau Melissengeist jedem die leeren Augenhöhlen!

Wir vom Rat der Ältesten dulden, dulden, dulden -dreimal sei es in alle Himmelsrichtungen und Höllenrichtungen gesprochen :wir dulden nur männliche Geister, keine Weiber:
weder Feen noch Ahnfrauen, noch sprithaltige Nonnen!
Dies haben wir dem inzwischen leider auf ein paar Zentimeter geschrumpften Geist der Reinheit und Keuschheit damals versprochen!
Die Klosterfrau Melissengeist verdunstet beleidigt, ein leichter Schnapsgeruch liegt in der Luft; alle schnüffeln begierig.
Unbeirrt fährt der Schloßgeist in seiner Rede fort:

"Geisterwort
es bindet, schlägt und knechtet,
allhier und an jedem Ort!"

"Oh, wie poetisch unser Vorsitzender ist, der Geist der Poesie hat ihm Flügel verliehen"

"Laßt' uns nun beginnen, die Zeit drängt, drängt, drängt, und wir müssen nachher den Geisterreigen rechtzeitig beginnen." murmelt vorwurfsvoll der Zeitgeist, seine zwei schwarzen deformierten Finger weisen auf die Standuhr.

"Hihihihihähähähäää", das geckernde Kichern des Irrgeistes erfüllt den Raum mit seiner krankhaften Ausdünstung :"ich habe die Uhr doch vorgestellt!"

Der Rachegeist droht und stößt Verwünschungen aus: "Wenn du uns noch einmal so entgeisterst, anstatt uns zu begeistern, dann geben wir deinen Geist auf!"

Er grabscht nach dem Irrgeist, aber der ist immer dort, wo man ihn nicht vermutet; er taucht plötzlich hinter der Theke auf und foppt dort den Himbeergeist und den Spiritus mit einem brennenden Streichholz.

"Kümmert euch nicht weiter drum" seufzt der Geist der Resignation .

"Aber wo sind -beim Wotan- Plagegeist und Quälgeist?!"

"Ich soll sie mit Eurer gnädigsten Erlaubnis entschuldigen," haucht hingebungsvoll der Geist der Höflichkeit, "dero Herren von und zu Plagegeist und derer von Quälgeist, sei es mir darob gestattet,- "Laller!" zischt es durch den Raum - "möchte euch dennoch in aller geziemenden Bescheidenheit kundtun: die beiden Herren haben im Burggraben eures ehrfurchtheischenden überaus stattlichen Schlosses eine - verzeiht mir die Grobheit dee Ausdruckes - aufgedunsene Kindesleiche gefunden, mit der sie nun mit der teuflisch gütigsten Erlaubnis Eurer Majestät allerlei Kurzweil treiben wollen!

"Auf diese minderwertigen Bastarde können wir verzichten!" kreischen Volksgeist und Sportsgeist mit einer Stimme, zustimmendes Raunen antwortet. Der Zeitgeist, der Pünktlichkeits - und Ordnungsfanatiker bleckt die Zähne....

"Kommen wir nun zu Punkt 1, Absatz 2 Abschnitt 4a, Teilsätze 1-3 der ewigen Versammlungsordnung.." Der Geist der Langeweile, der jetzt das Wort führt, windet sich vor Vergnügung, zwinkert seinem Bruder Hypnos, dem Geist den Schlafes zu, begeistert schwinkt er laut gähnend den Lichtgriffel in seiner verdörrten ausgemergelten Rechten...

"Veto, Veto, Veto!!!" tönt es da aus der Ecke, oh wie wir ihn alle hassen, den Widerspruchsgeist, der stets nichts anderes tut, als wieder und wieder Gegenrede zu halten, alles besser zu wissen und alles zu kritisieren und zu zerreden, gemeinsam mit seinem einzigen Verbündeten, dem Ungeist, der auf jeder Versammlung keift, daß er sowieso gegen alles sei und niemand ihn verstehe....
Aber so gerne wir die beiden zermalmen würden: wir haben dem Freigeist und dem Geist der Republik unser Geisterehrenwort gegeben, daß wir die beiden anhören, ihre endlosen Einwürfe, die so geistlos und abgeschmackt sind, daß sie nur noch den Geist der Langeweile zum Lachen bringen können, diese Geister der Lüge und der Bosheit, Gift und Galle über siel Oh, ich habe dieses jahrhundertelange Gewimmer so satt, wir werden diese zwei Geister nicht mehr los, seit wir sie gerufen haben, und diese Langeweile von Äon zu Aon, und die Menschlinge die uns entmythologisieren, auslöschen wollen, gerade mir als Schwarmgeist geht es dabei an die Substanz, ich werde schwächer und schwächer, ... floogyoozglv, keualeppajjjjv hilfeeeeg alleiiiahgüou, kaheiadehc,fhshh@alah, kakahräflborüforufjv, flynnmurrrr, rrr, groarrrrrrrks...

Copyright: Burkhard Heidkamp 1981