Gute Nachtgeschichten

Sempre allegro e vivace

ein Renaissancegedicht

verfasst 1987

Schrill krächzen Violinen,
die Renaissance ist da;
Botticelli, Leonardo sind erschienen,
ds Mahl ist schon bald gar.

Zuerst gibt's Parnaschinken,
Melonen, Huhn, Fasan.
Wir woll'n auch einen trinken,
dazu ein ganzer Schwan.

Dann wird der Fisch servieret,
die Suppe überschwappt;
der Schnaps die Kehle schmieret;
ein Vielfraß nach dem Hummer schnappt!

Zofen und Lakaien würdig schreiten,
Arcimboldo rülpst sehr laut;
die Spanferkel den Magen weiten:
gar lecker, die knusprige Haut!

Geback'ne Täubchen im Reisrand,
das Cembalo spielt ein Sonett;
Bratfisch vom blauen Donaustrand,
und später geht's ins Bett!

So füllt mit Bier die Humpen,
Nashorn in Wein macht sinnenfroh!
Lasst uns das Bier abpumpen,
Mägdlein, komm' her, hoho!

Mit Schellenkapp' und Schnabelschuhn,
ein Hanswurst gellend singt;
noch keine Zeit, sich auszuruhn:
den Ochs am Spiess man bringt!

Gemüse dampft in großen Töpfen,
Gewänder fliegen durch die Luft.
Gekicher, ein Gegrabsch nach Zöpfen,
wer jetzt schon geht, der ist ein Schuft!

Laut grölen nun die Zecher.
die Mägdlein kreischen hell.
Zu Boden fällt der Becher,
die Scham verfliegt so schnell!

Jetzt löst sich manches Mieder,
die Schalmei sich überschlägt;
verknäulte Leiber sinken nieder,
sich einer auf den andren legt.

Wil wimmern nun die Geigen,
die Cellos sägen dumpf.
Betrunken tanzen die Pfaffen den Reigen,
des Abtes Blick wird stumpf...

Der Kaplan zerrt an dem Kapaun,
vom Munde tropft der rote Weine;
umschmiegt von prallen schönen Fraun:
vier sind da besser als nur eine!

Petrarca schlägt sein Wasser ab,
ein Fettwanst nagt am Hühnerbein;
sein Magen ist der Wachteln Grab:
er schlingt sie in sich rein!

Querflöten munter tirillieren,
im Saal wird's langsam warm;
der Herzog kriecht auf allen Vieren -
es entlädt sich mancher Darm.

Sie tragen nun den Nachtisch rein:
Naschwerk in fettem Öle;
platschend fällt einer in den Pudding rein:
Gegurgel und Gegröle!

Bocaccio wirft mit Früchten,
am Fettgebäck sich pralle Putten laben,
der Hof frönt seinen Süchten,
der Bischof tätschelt Knaben...

Der Herzog im Erbroch'nen liegt,
der Hanswurst sinnlos brabbelt;
auch der größte Säufer ist besiegt,
die letzte Jungfer nicht mehr zappelt.

Am End' ruhn' Klerus und der Adel,
vom Tische sickern Soß' und Wein;
vom Papst, da kommt kein Tadel:
er lädt zur nächsten Orgie ein!

copyright 1987 Burkhard Heidkamp